1163

Die von dem Franziskanermönch verfasste Stadtchronik erwähnt das Gut „Alt-Lauerhof“ bereits zu diesem Jahr. Es liegt nördlich der alten Landstraße nach Mecklenburg im Lauerholz, von dem es im Mittelalter einen großen Teil umfasst. Die Besitzverhältnisse wechseln ständig, bis 1768 die Stadt das Land kauft, es anschließend in Pacht gibt und es später in drei Teile zerlegt, die einzeln verpachtet werden: Alt-Lauerhof, Neu-Lauerhof am Berg (etwa zwischen der heutigen Heinrichstraße und der Lauerhofstraße gelegen) und Neu-Lauerhof am Fuchsberg (zu erreichen durch den Rittbrook).

Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts werden die drei Lauerhöfe von Wesloe aus bewirtschaftet. Lauerhof am Fuchsberg wird 1862 aufgelöst, seine Fläche aufgeforstet und dem Israelsdorfer Forstrevier angegliedert. Lauerhof am Berg (der Hof stammt aus ältester Zeit und hat immer der Stadt gehört) wird 1863 parzelliert und sein Areal anschließend bebaut. Von Alt-Lauerhof bleibt ein Forsthaus übrig. Das Land wird zum Forst Lauerholz geschlagen.

1548

Die Akten des Hl.-Geist-Hospitals erwähnen in diesem Jahr einen „Ackerhof“, er lag rechts von der Landstraße nach Brandenbaum, in der Nähe der Wakenitz. Das Oberstadtbuch macht keine Angaben über Besitzverhältnisse vor dem 17. Jahrhundert, jedoch belegt eine Urkunde von 1293 sein hohes Alter, der zu Folge Heinrich der Löwe bestimmt hat, das der Ertrag (15 Mark lübsch) dieses Ackerhofes zur Besoldung des Geistlichen an der neben dem Dom gelegenen Kapelle St. Johannis auf dem Sande dienen sollte. 1444 hat man die Grenzen des Ackerhofes südlich bis an die Wakenitz bis zum Hof Hohewarte festgelegt. Zweimal wird der Hof in den Kriegswirren z Beginn des 16. Jahrhunderts eingeäschert (1506 und 1534).

Der Hof ist Privateigentum und wird mehrfach verpachtet. 1754 erwirbt ihn Isaac Francois Egmond Vicomte de Chasot, seit 1759 Kommandant der Lübecker Garnison, und tauft ihn, nach einem Lustschloss König Ludwigs des XIV. bei Paris, in „Marly“ um. Er vergrößert den Besitz durch Pachtung der benachbarten Koppeln, legt einen umfangreichen Lustgarten an und beginnt mit der Seidenraupenzucht, indem er um 1763 – die Ideen seines Gönners, des Preußenkönigs Friedrich des Großen, aufnehmend – Maulbeerplantagen pflanzen lässt, anstelle des auch hier zuvor betriebenen Hopfenanbaus. In diese Zeit fällt auch die Einrichtung einer Fährverbindung nach St. Jürgen, zur späteren Falkenhalbinsel, die bis in die 1980 er Jahre bestand.

Chasot lebte nur im Sommer auf Marly. Er bemühte sich den Hof zum Mittelpunkt vornehmer Geselligkeit werden zu lassen. Zu ihm gehörten eine Ziegelei, ein Torfmoor und später (von 1831 bis 1885), nachdem der Hof zwangsversteigert worden ist und neue Besitzer gefunden hat, auch eine Holländerei in der Gegend der späteren Kaserne. Hier befand sich eine im Sommer vielbesuchte Kaffeeschenke.

1664

Heinrich Kirching (Kerking) legt an der Marlistraße einen Lustgarten an. Aus ihm wird später ein Gärtnereigehöft. Heute verläuft hier die Heinrichstraße. Die Bebauung des Geländes im Winkel zwischen Arnim- und Marlistraße erfolgt seit 1786. Linkerhand der Marlistraße entsteht um die Mitte des 19. Jahrhunderts eine Windmühle. Bei Überlassung des Grundstücks wird als Bedingung für die Errichtung der Bau einer Verbindung zwischen den Landstraßen nach Wesloe und Brandenbaum genannt; so entsteht die Bergstraße.

1790

Der spätere Schwimmlehrer Anton Kreidemannvollführt ein öffentliches Schwimmschauspiel „zu Marly bei der Überfahrt“ (in der Nähe der Moltkebrücke), um Interessenten für das Schwimmen zu gewinnen. Doch erst ab 1797 melden sich die ersten Schwimmschüler. Der Unterricht findet anfangs am Ufer der Wakenitz bei Marli statt, seit 1799 bei der Dorotheenstraße.

1806

Von 1811 bis 1813 gehören neben Schlutup auch Wesloe, Lauerhof, Gothmund, Israelsdorf, Marli, Hohewarte, Kaninchenberg und  Brandesbaum zur französischen Mairie Schlutup.

1869

Die ersten dreizehn Straßen in St. Gertrud werden vom Polizeiamt benannt, und zwar: Am Burgfelde, Arnimstraße, Bäckergang (heute Paulstraße), Beim Tannenhofe, Hinter St. Gertrud (heute Gertrudenstraße), Israelsdorfer Allee, Lange Reihe, Luisenstraße, Marlistraße, Neustraße, Roeckstraße ( zu Ehren des 1869 verstorbenen Bürgermeisters Karl Ludwig Roeck), Schönkampstraße und Schulstraße.

Das bisherige Fehlen der Straßennamen hatte sich zunehmend als großes Problem für die Anwohner herausgestellt, wie Leserbriefe an Zeitungen 1866 belegen.

Am 26. August brennt die Schiefenberger Windmühle (Marlistraße 15) nieder. Sie ist damals Wahrzeichen der Vorstadt St. Gertrud. Der Mühlenbetrieb wird im 19. Jahrhundert auf Dampfkraft eingerichtet, und die Mühle arbeitet bis in das letzte Jahrhundert hinein. Sie fällt schließlich der Straßenregulierung zum Opfer.

Vor der Benennung „Marlistraße“ heißt die Gegend dort „Annen Schevenbarg“ (Am Schiefen Berg): der Name erklärt sich daher, das der Mühlenberg nach der einen Seite schroff abfällt, nach der anderen aber langgestreckt verläuft und so ein schiefes Dreieck bildet.

1891

Der Töpfermeister Wilhelm Wache eröffnet im Frühjahr einen Zoologischen Garten auf einem Grundstück an der Arnimstraße. Der Tiergarten verfügt über einen ansehnlichen Tierbestand. Das Unternehmen gerät allerdings bald in finanzielle Schwierigkeiten, und auch öffentliche Unterstützung kann nicht verhindern, dass es im Dezember 1897 gerichtlich versteigert wird. Der Versuch einer im folgenden Jahr gegründeten Gesellschaft, den Zoo weiter zu führen, scheitert bereits nach einem halben Jahr. Die dazugehörige Gastwirtschaft hält sich jedoch noch bis 1913, zuletzt als Vergnügungspark „Karolinenhof“.

1895

Auf Initiative des aus Hannover zugezogenen Baurats Wallbrecht findet auf dem Marlier Feld vom 21. Juni bis zum 20. September die „Deutsch-Nordische Handels- und Industrieausstellung“ statt. Sie lockt Tausende von Besuchern an, für die eigens eine Straßenbahnlinie vom Bahnhof zum Ausstellunggelände (es umfasst 140.000 m² und sein Zentrum liegt etwa am Moltkeplatz) eingerichtet wird. Sie wird betrieben von der „Allgemeinen Lokal- und Straßenbahngesellschaft zu Berlin“ und verkehrt bis zum 15. Oktober. Zwar endet die Ausstellung finanziell mit einem Defizit, ihr Erfolg jedoch liegt darin, auf Lübeck als günstigen Standort für die Ansiedlung von Industrie aufmerksam zu machen.
Wallbrecht verbindet mit der Idee der Industrieausstellung die Hoffnung auf eine verstärkte Erschließung und Besiedlung Marlis. Bereits seit 1890 hat er für dieses Ziel gearbeitet, nach dem Kauf des Ackerhofs das Gebiet durch den Bau von Straßen und Versorgungsleitungen großzügig erschlossen und Lindenreihen angelegt. 1892/93 lässt er auf seine Kosten die Moltkebrücke errichten, um die Verkehrsverbindung Marlis mit der Innenstadt zu verbessern. Für die Ausstellung stellt er sein Gelände unentgeltlich zur Verfügung. Zunächst jedoch bleibt seinen Anstrengungen wenig Erfolg beschieden, und der Zuzug ist gering.

1899

Am 1. Juni wird die Marlibadeanstalt (diesen Namen erhält sie offiziell 1906) unterhalb der Alexanderstraße eröffnet. Sie vereinigt zwei ursprünglich getrennte Badeplätze und besteht, mit einer geringen Verschiebung, noch heute.

Mit einer Einweihungsfeier werden am 2. Juni die neuen Kasernen an der Marlistraße an das 2. Hanseatische Infanterieregiment 76 übergeben. Laut Standortbefehl vom 31. März 1938 heißt die Kaserne künftig „Meesenkaserne“, nach der Schlacht bei Meesen in Flandern 1918, an der das Lübecker Regiment 162 beteiligt war.

An der Rabenstraße wird wenig später eine städtische Reitbahn gebaut, welche das Militär täglich drei Stunden benutzen darf. Im September 1923 ist im Exerzierhaus der Kaserne eine eigene Reitbahn fertiggestellt. Am 1. Oktober 1923 nimmt eine Wäscherei den Betrieb auf. 1931 erhält das Militär eine eigene Schwimmanstalt an der Wakenitz, oberhalb der Badeanstalt Marli.

In Marli werden die Bülow- und Gneisenaustraße benannt. Der Ortsteil wächst kontinuierlich weiter in südlicher Richtung, 1903 und die Werder-, 1904 um die Kottwitz- und Loignystraße.

Die St. Gertrud-Bücherhalle wird als Volksbibliothek eröffnet. Ihr Anfangsbestand umfasst 400 Bände; untergebracht ist sie in Schulräumen. Später wird sie zur Zweigstelle St. Gertrud (danach Marli) der öffentlichen Bücherei, 1905, nachdem die Benutzung stark zugenommen hat, wird ein eigener Verein für die Bücherhalle gegründet, der den bisherigen Träger, den Frauenverein St. Gertrud, ablöst. 1928 bezieht sie den Anbau eines Wohnblocks in der Marlistraße, Ecke Goebenstraße. Einsparungen während der nationalsozialistischen Ära führen zur Verlegung der Marlibücherei in ungünstigere Räume. Im Krieg geht sie - wie alle Zweigstellen – ein. Nach 1945 beginnt der Betrieb erneut, zunächst behelfsmäßig in den Räumen der Marlischule in der Heinrichstraße. 1956 erhält die Zweigbücherei Marli ein eigenes Gebäude in der Goebenstraße, Ecke Marliring (erbaut aus den Mitteln des Marschallplanes), das aufgrund rasche wachsender Benutzerzahlen später erweitert wird.

1905

Ein weiteres Volksschulhaus wird im April in St. Gertrud fertiggestellt, die „Zweite St. Gertrud Doppelschule“ in der Heinrichstraße (heute: Schule Marli). Die Schule ist – auch gebäudemäßig – getrennt in eine Knaben- und Mädchenschule. Jede Schule erhält 12 Klassen für je 50 Schüler, darunter 4 Reserveklassen.

Nachdem die ALSAG die Einrichtung einer Straßenbahnlinie nach Marli abgelehnt hat, erhält Wallbrecht am 6. Juni 1904 die Konzession und eröffnet die „Marli Bahn“ am 9. Juni 1905. Sie befährt die Strecke Bahnhof-Marli, erweist sich als rentabel und steigert ihre Einnahmen von Jahr zu Jahr beträchtlich. Zur Erschließung des Marliers Gelände trägt sie wesentlich bei. In der Goebenstraße entsteht eine Wagenhalle, die bis 1925 in Betrieb bleibt und 1928 an den Staat zurückgegeben wird; die Entschädigung hierfür verwendet man für einen Lagerschuppen im Depot Roeckstraße.

An den Einwohnerzahlen der folgenden Straßen ist die überaus rasche Besiedlung Marlis von 1905 – 1910 abzusehen:

 19051910
Gneisenaustraße170244
Kottwitzstraße3271080
Loignystraße32279
Werderstraße134365

 

1909

Zwischen der Marlistraße und der Wakenitz werden neue Parkanlagen fertiggestellt. Sie sind so angelegt, dass der freie Ausblick auf das Lübecker Stadtbild erhalten geblieben ist. Der ursprüngliche Plan einer durchgehenden Uferstraße vom Burgtor bis zum Moltkeplatz wird aufgegeben. Die neuen Anlagen sind gedacht als Erholungsort für das ganze Marli-Viertel. Sie gruppieren sich um eine große Wiesenfläche, wodurch der Eindruck ungekünstelter Natur entsteht.

Die Strafanstalt Lauerhof, die für 558 Gefangene auf dem Lauerhöfer Feld nördlich der Arnimstraße gebaut worden ist, wird vollständig in Betrieb genommen (teilweise schon 1908). In der Nähe werden Wohnungen für Bedienstete errichtet. Pläne zum Bau eines neuen Zentralgefängnisses hat es schon seit Jahren gegeben, da sich das alte Werk- und Zuchthaus zu St. Annen zusehends als unzureichend erwiesen hat. Der damals mustergültige Neubau dieser Landesstrafanstalt entspricht einer humaneren Auffassung des Strafvollzuges; er vereinigt unter seinem Dach die Vollstreckung von Zuchthaus-, Gefängnis- und Haftstrafen, sowie eine Korrigiden-Anstalt.